3 MILLIONEN IN 133 STUNDEN – DAS PROTONET-FUNDING IN DER SEEDMATCH ANALYSE

Von Protonet Team. Veröffentlicht 9. Juli 2014.

Seedmatch hat unser Crowdfunding analysiert. In ihrem Blogpost schreiben sie, was den Erfolg ausgemacht hat. http://bit.ly/1ro7PMR

Im Juni wurde bei Seedmatch Crowdfunding-Geschichte geschrieben. Das Hamburger Startup Protonet überzeugte in insgesamt 5 Tagen, 13 Stunden und 31 Minuten genau 1.826 Investoren, die insgesamt 3 Millionen Euro in Protonet investierten. Nie zuvor finanzierte sich ein Startup in dieser Geschwindigkeit über die Crowd; kein deutsches Startup konnte bisher eine so große Summe mit Hilfe der Crowd einsammeln. Wie konnte das funktionieren – und was kann man als Startup-Gründervon Protonet lernen? Eine Analyse.

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Bei Seedmatch wurden schon mehr als 50 Startups finanziert, einige stellten dabei Rekorde auf, andere sammelten solide Kapital für das eigene Wachstum ein. Nie zuvor aber ging es so schnell wie bei Protonet. Wo immer das Hamburger Team auftritt, wird es auf den Erfolg angesprochen und auch wir bei Seedmatch bekommen begeisterte Zuschriften und einen Zulauf an neuen Investoren und Startups. Das Funding selbst wurde zum Event, das Aktualisieren der Funding-Seite von Protonet zeigte minütlich neue Investoren. Und das alles von Zauberhand? Nein!

Die wichtigste Erkenntnis: Ein gutes Crowdfunding kommt nicht von allein.

Bei der britischen Crowdfunding-Plattform Seedrs heißt es „Blood, sweat and tears“, wenn es um Erfolgsfaktoren im Crowdfunding geht:  Nichts anderes steckt hinter dem Erfolg von Protonet. Das Funding war bei Protonet nicht nur Finanzierungs-Thema für den CFO mit ein paar Sprüchen vom Gründer in die Kamera. Die gesamte Führungsriege und zahlreiche Mitarbeiter von Protonet waren über mehrere Wochen in den Prozess und die Vorbereitungen eingebunden, zahlreiche externe Dienstleister schoben Extraschichten, um zum Fundingstart alles perfekt vorzubereiten.

Anhand der folgenden 10 Punkte wollen wir den Erfolg von Protonet noch einmal analysieren und festhalten, was man sich von den „Rockstars des Crowdfundings“ abschauen kann.

        1. Lange Planung im Voraus: Die ersten Gespräche zwischen Protonet und Seedmatch über das Ob, Wie und Wann eines Crowdfundings fanden bereits im Januar statt. Natürlich waren wir durch das erste Funding im November 2012 schon in ständigem Austausch, aber Protonet hatte zahlreiche Möglichkeiten für eine Finanzierung zur Auswahl. Auch eine Kickstarter-Kampagne stand im Raum. Im April dieses Jahres wurden die Pläne konkret und die Finanzierung bei Protonet für das nächste Wachstum langsam notwendig. Protonet stellte uns seine Vision vor, wir glichen sie mit unseren Möglichkeiten ab. Im April stand fest: Die Entscheidung für Seedmatch ist gefallen. Eine ausgefeilter Projektplan wurde auf die Beine gestellt, bei der alle Themen von A bis Z mit Verantwortlichkeiten, Ansprechpartnern bei Seedmatch und Deadlines festgelegt wurden. Ideal: Gearbeitet wurde natürlich auf einer Protonet-Box mit SOUL. So waren gleichzeitig alle Beteiligten in Echtzeit im Bilde über den aktuellen Stand.
        1. Spannungsaufbau vorab: Was wir bei Seedmatch schon wussten, war natürlich lange ein Geheimnis. Protonet gestaltete seine Crowdfunding-Kampagne als eben solche: Als eine wortwörtliche „Wahl-Kampagne“, also als einen zeitlich begrenzten, aber umso imposanteren Auftritt mit einem Claim und einem Ziel. Unter dem Namen „CHOICE“ gab man den Fans und Interessierten „eine Wahl“ – ohne zum Start jedoch sofort über den Hintergrund zu informieren. So wurde die Gerüchteküche angekurbelt und die Szene begann, über den ominösen „Choice“ und das genannte Datum 4. Juni 2014 zu spekulieren: Ein neues Produkt? Der Exit? Der Schritt in die USA? Heiratet Protonet-CEO Ali Jelveh womöglich seinen Server Carlita? Alles wäre möglich gewesen (außer Letzeres, da Ali bereits verheiratet ist. Sorry Carlita!)
        1. Timing – Die Ankündigung der neuen Protonet-Box Maya: Das richtige Timing kann beim Crowdfunding den Unterschied ausmachen. Am 22. Mai war es soweit: Protonet stellte auf einer Launch-Party der Öffentlichkeit seine Produktinnovation MAYA vor und lud dazu Pressevertreter überregionaler Medien und aus dem Tech-Bereich ein, die am Tag darauf zahlreiche Artikel veröffentlichten und so die Nachricht in die Welt trugen. Doch damit nicht genug: Erst auf dem Presse-Event wurde bekannt gegeben, was hinter der CHOICE-Kampagne steckt: Ein Crowdfunding bei Seedmatch! Und natürlich wurde die Info schon mitgegeben, dass es wie damals im November 2012 wieder Server on top für die Investoren geben würde – und vor allem, dass die Produktinnovation MAYA exklusiv so früh nur bei Seedmatch verfügbar sei! So wurde die News zur Produktinnovation unweigerlich mit dem Crowdfunding verbunden.
        1. Eine Roadshow im Vorfeld, um MAYA und Team vorzustellen: Wir bekommen häufig die Frage, ob und wann sich eine Roadshow für ein Startup lohnt. Eigentlich widerspricht sie dem Grundgedanken des Crowdfundings: Offline für ein Online-Investment werben? Viele Investoren freuen sich jedoch auf den direkten Kontakt zu „ihrem“ Startup und wollen die Menschen dahinter einmal in der Wirklichkeit treffen. Protonet hatte aus dem ersten Funding bereits 220 Investoren an Bord, darüberhinaus schon etliche Kunden und Fans in ganz Deutschland. Also wurden kleinere Event-Locations für 30 bis 50 Gäste in Berlin, Köln, München und Hamburg gebucht und in Zusammenarbeit mit Seedmatch per E-Mail und Facebook eingeladen. Jeder durfte kommen – neue und alte Interessierte.

      1. Protonet hat eine Geschichte erzählt: Crowdfunding ist (zum ganz großen Teil) Storytelling. Sichere Renditen gibt es anderswo – ein Startup-Investment ist hochriskant und offenbart seine reale Rendite erst in ungewisser Zukunft. Deswegen investieren die Crowdinvestoren in eine Vision, wie diese Zukunft aussehen kann; in eine Geschichte, die heute prognostiziert morgen und umgesetzt werden soll.
        Protonet bietet genau so eine Vision, noch dazu eine, die beinahe amerikanisch wirkt. Im Silicon Valley will jeder die Welt verändern, unseren Planeten besser, grüner, effizienter machen. Protonet will ändern, wie wir mit Daten umgehen, wo wir sie speichern können, wem sie gehören. In der Protonet-Geschichte tritt der Held gegen die großen Player Google oder Microsoft an, muss mit den Vorurteilen vieler Menschen kämpfen und will am Ende das Glück seiner Nutzer maximieren. „Deine Daten gehören Dir“ vereint die Aspekte Sicherheit – Motive, die jeder vorbehaltslos unterstützen kann, wie auch externe Blogger analysieren.
        Man hätte die Protonet-Vision auch technisch darstellen können: Wie viel Terrabyte Speicher? Wie viel Kosten pro Nutzer? Welches Features hat die Software? Es wären Argumente gewesen – aber nichts, was man im Kopf behält oder von dem man seinen Freunden abends beim Bier erzählt. Dass Protonet für’s Storytelling ebenfalls externe Experten hinzuzog, versteht sich von selbst.„Über dem gesamten Konstrukt steht aber nach wie vor die Vision und die bedingungslose Überzeugung, die Welt in unserem Machtbereich – und auch darüber hinaus –  verändern zu können. Wir glauben, die Menschen spüren das, wenn sie mit uns reden und fühlen sich gut aufgehoben. Wir sehen das als Auftrag, ein wenig wie eine Mission, die wir erfüllen müssen, koste es was es wolle“, erzählt Ali Jelveh im Interview.
      1. Ein Video, das einen Oscar verdient hat: Das Crowdfunding-Video ist das perfekte Medium für’s Storytelling: Hier kann Dramatik, Spannung, Leidenschaft und Humor transportiert werden – das Video von Protonet vereint all das. Die Herausforderung unserer Zeit („Wem gehören unsere Daten?“), die Antwort (die private Cloud von Protonet), die Features (Fotos vom filmenden Kamerateam) und Emotionen (Bedrohung durch die NSA, aber auch Freude des Teams über das Crowdfunding im November 2012) – in einem vierminütigen Ritt wird der Zuschauer in die Welt der Hamburger hineingezogen. In meinen zwei Jahren bei Seedmatch habe ich kein beeindruckenderes Video im Crowdfunding gesehen.

    1. Goodie I: Das Crowdfunding als Abverkaufsstrategie. Schon in den ersten Vorbereitungs-Gesprächen war für Protonet klar: Das Funding hat seinen Mehrwert gegenüber einer Runde mit einer Venture-Capital-Gesellschaft vor allem darin, dass Kapitalakquise mit dem Verkauf von Produkten verknüpft werden kann. Nach dem Launch der MAYA, dem günstigsten aller Protonet-Server bisher, spekulierte man darauf, dass viele Interessenten bereit wären, den Vorab-Kauf (das Produkt wird erst im Frühherbst ausgeliefert) mit einem Investment zu verknüpfen. So wurde der Fokus von den (ungewissen) Renditechancen auf das real vorhandene Produkt gelegt – einen Teil der Rendite machte man als Investor also schon beim Investment selbst. Sollte Protonet scheitern und das Investment damit seinen Wert verlieren, bliebe jedem Investor dennoch der Server. Mit der überschaubaren Summe von 2.000 € erhielt jeder Interessent die Chance, sowohl die Vision der Datenhoheit als auch das Eigeninteresse an Hardware und Rendite zu verknüpfen. So wurde aus dem, was man üblicherweise Equity-based Crowdfunding nennt, etwas Neues: ein „Equity-based-Reward-supported Crowdfunding“!
    1. Goodie II: Verknappung. Protonet unterstützte die Nachfrage, indem es die Goodies bewusst verknappte: Nur die ersten 100 Investoren, die 2.000 Euro investierten, sollten eine MAYA erhalten. Dies sorgte dafür, dass gegen 12 Uhr mehr Menschen als je zuvor gleichzeitig versuchten, ein Investment zu tätigen und die Seedmatch-Server zeitweilig in die Knie zwangen. Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn die Goodies entsprechend attraktiv gestaltet sind, d. h. die Produktattraktivität in gutem Verhältnis zur Investmenthöhe steht.
    1. Das eigene Netzwerk aktivieren und im richtigen Moment investieren lassen: Das Team von Protonet hat wie nur wenige andere Startups verstanden, dass man selbst einen wesentlichen Einfluss auf den Fundingerfolg nehmen kann, indem man bis zum Ermüden eigene Kontakte aktiviert, diese über das Funding sprechen lässt, Viralität fördert und so einen siginifikaten Teil der Fundingsumme selbst akquiriert. Protonet wirbelte auf allen Kanälen: Telefonat im privaten und beruflichen Netzwerk, Posts bei XING, gesponsorte Posts bei Facebook, ein Gewinnspiel beim führenden deutschen Design-Blogdesignmadeingermany.de und vieles mehr. Gepaart mit der starken Presse-Arbeit entstand ein Momentum, das dem Startup noch am Tag 1 des Fundings u. a. eine Berichterstattung bei SPIEGEL Online einbrachte.
      Das soll nicht heißen, dass die Seedmatch-Crowd nicht ausreichend stark sei. Trotz der vielfältigen Maßnahmen von Protonet kamen über 60% der Fundingsumme von Investoren, die schon vor der Protonet-Kampagne bei Seedmatch aktiv waren. Diese Startups versuchen, alle Investoren bei Seedmatch mit ihrem Pitch zu überzeugen – eine „eigene“ Crowd mitzubringen, kann dabei nur helfen.
    1. Onlinemarketing für’s Funding: Zusätzlich zu den eben genannten, „manuellen“ Maßnahmen schaltete Protonet gezielt Anzeigen bei Facebook, Google oder Plista, um zusätzliche Investoren und zukünftige Käufer auf das Funding aufmerksam zu machen. Auch wenn Seedmatch jedes Funding mit verschiedenen Maßnahmen bewirbt, um die Seedmatch-Crowd zu informieren und neue Investoren zu gewinnen, wollte man bei Protonet „nichts dem Zufall überlassen“, wie es Protonet-Marketing-Chef Thomas Reimers formuliert. Er hatte von Anfang die Vision, mit dem Funding erneut einen Rekord aufstellen zu können – und er sollte recht behalten.